Aus der Abteilung: Politik und ihre Folgen

Warum, sag mir warum?

Deutschland wählt wieder eine neue Regierung. Die alte hatte nun sieben Jahre Zeit, alles zu ändern, zu verbessern. Anscheinend war ich nicht der Einzige, der der Meinung ist, dass sie die selbst gesetzten Ziele nicht so ganz erreicht hat oder evtl noch erreicht hätte. Was soll's? Ich bin in guter Gesellschaft, hat doch der Bundeskanzler Gerhard Schröder erfolgreich seine Vertrauensfrage wie erwartet verloren. Demzufolge entschied der Bundespräsident, dass es Neuwahlen im September geben soll.

So weit, so gut.

Problem dabei: Die einzelnen Parteien haben natürlich bereits im Vorfeld für die eventuelle und nun tatsächlich eingetretene Neuwahl vorgesorgt, was in etwa damit gleichbedeutend ist, dass man sich wieder den lieben langen Tag Parolen, Ansagen, Ideen, Parteiprogramme, Anzeigen, Vergleiche, Verleumdungen, Beschuldigungen, Entgleisungen, Entschuldigungen, gegenseitige Unfähigkeitsbezeugungen etc. - kurz: Wahlpropaganda anschauen / -hören müssen wird. Und, was darf dabei nicht fehlen? Richtig, ein Fernsehduell. Und jetzt wird's interessant, zumindest wenn man sich aktuelle Umfragen anschaut:

Die Statistik besagt, dass 47,6% der Deutschen kein Interesse an einem TV-Duell haben, 29,7% wünschen sich eins. Was ist mit dem Rest? Sitzen die die Sache aus wie der Ex-Bundeskanzler gewisse andere Dinge? Ist es denen egal? Quengeln die genauso rum wie die TV-Sender, die unbedingt zwei oder drei Duelle senden wollen? Warum quengeln die überhaupt? Ist das Sommerloch schon so groß, dass es keine anderen Dinge zu senden gibt? Ist so called "König Fußball" etwa nicht genug? Muss auch noch mehr als ein Abend dran glauben, bei dem man auf 4 Sendern mit 4 Moderatoren zwei Menschen sieht, die manche vermutlich nicht zu unrecht mit Skylla und Charybdis gleichsetzen? Und zählt denn nicht, dass sich offensichtlich 47,6% der Deutschen nicht dafür interessieren?

Vielleicht könnte man das Interesse wecken, wenn man aus dem Rededuell ein tatsächliches machen würde. Jeder sucht seine Waffe aus (Degen, Pistole, Langschwert, Speer o.ä.), die Arena wird von den Sendern bereitet - oder wie wäre es mit Schlammcatchen? Nein? Das geziemt sich nicht? Nun gut, dann ein anderer Einwand meinerseits:
Was will man denn bei einem Rededuell für Werbung schalten - schließlich sprechen wir hier nicht nur von ARD und ZDF, sondern auch von privaten Sendern. Man kann ja eigentlich nur solche senden, die in irgendeiner Weise einen halbwegs sinnbehafteten Bezug zum Thema hat. Vielleicht sollte Fulda den steinalten Werbeslogan wieder rauskramen: Schwarz, breit, stark! Und sonst? Vielleicht Wüstenrot? Hmmm, auch nicht das Wahre. Also bleibt es vermutlich wie immer bei Waschmitteln, Autoversicherungen, Lebensmitteln u.ä. - vielleicht ist das ja der Grund, warum so viele sowas nicht sehen wollen ... Und damit kehren wir zurück zur EIngangsfrage:
Was ist mit den anderen?

Vermutlich wissen die TV-Sender etwas, was sich uns Normalsterbliche aus der Statistik nicht erschließt: Die restlichen 22,7% sind die werberelevante Zielgruppe zwischen 15 und 47 mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 3500,-   bei einer gleichzeitigen Schulbildung von mindestens Abitur - sportlich ambitioniert, ökologisch engagiert und selbstverständlich ausgabefreudig = der ökonomisch absolut einleuchtende Grund, mehr als einmal Sendezeit auf ein fragwürdiges Duell mit zwei Protagonisten zu verwenden, die zusammen nicht halb so viel Charme wie Statler & Waldorf haben. Und so schauen halt doch wieder Kreti und Pleti zu, um nachher (hoffentlich) eine echte Entscheidung zwischen Pest und Cholera zu treffen ...

 

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