Aus der Abteilung: Wie wichtig ist Wichtigkeit?

Denglisch - die Unart des neuen Jahrtausends

Ich nehme mal an, die meisten von uns kennen so jemanden: Jung, dynamisch, erfolgreich und un-glaub-lich wichtig. So wichtig, dass auf der Visitenkarte, die einem bei der Begrüßung gleich mit dem Händedruck gereicht wird, irgendeine hochwichtige englische Bezeichnung des beruflich ausgeübten Tätigkeitsfeldes steht: Senior Sales Representative, Marketing Director, Major Key Account Manager undwasweißichnochfür'nblödesZeugs.

Nachdem ich nun wieder eine vertriebliche Tätigkeit aufgenommen habe, stand auch ich vor der Frage: Was drauf schreiben? Soll ich mich auch so verhalten wie ein Freund von mir, der, obgleich er tatsächlich keine Untergebenen hat, auf seine Visitenkarte Marketingleiter schreiben ließ?
Hauptsache, es hört sich wichtig an - dazu kann man, wenn man also diese Karte dem Gegenüber reicht, schonmal einen auf dicke Hose und vorallem ein ungemein wichtiges Gesicht machen. Eigentlich verwunderlich, dass er nicht Marketing Director gewählt hat. Obwohl, was sollen diese englischen Bezeichnungen eigentlich? Ist der Verkaufsleiter nicht gut genug, macht ein Geschäftsführer keinen erhabenen
Eindruck mehr oder reicht der Zusatz Vertrieb nicht, um ausreichend Aufmerksamkeit zu erhaschen - muss es wirklich z.B. Key Account Manager sein?

Ich weiß, ich weiß, jetzt schreien wieder all diejenigen auf, die pauschal besser im Studium aufgepasst haben und erklären mir, dass das im Zuge der Globalisierung so sein müsse. Aha! So ist das! Ich habe gar nicht an die Globalisierung gedacht, sorry, mein Thinking beinhaltete not the Global-Player. Und das, wo im Zuge des Ratings schließlich alle mal dahin kommen, weltweit tätig sein zu müssen.

Hmmmm. Wirklich? Wenn ich mir als Beispiel deutsche EDV-Distributoren anschaue, die nur und ausschließlich auf dem deutschen Markt tätig sind, wozu benötigen die englische Tätigkeitsfeldbezeichnungen? Reicht denn die deutsche Sprache nicht aus, um alles hinreichend zu beschreiben? Man macht doch auch in einer normalen Unterhaltung keine suggestion sondern einen Vorschlag, ich will auch nicht gebrieft, sondern in eine Thematik eingewiesen werden und schon gar nicht aus einem Biosthetique & Wellness-Discount eine Antiaging-Creme erwerben! Ich mag die Verdenglischung meiner deutschen Muttersprache nicht - mir genügt schon, dass die letzte so called Rechtschreibreform offensichtlich an den Dümmsten der Dummen ausgerichtet wurde, damit jeder, wirklich jeder noch eine Chance hat.

Und, als ob das nicht schon alles wichtig genug wäre, werden auch noch Abkürzungen erfunden, die man teilweise auch noch selbst als Wort aussprechen kann: "Das Gerät ist d.o.a." (sprich: diii-ouu-äääii), was ausgeschrieben dead on arrival heißt und nichts anderes als AEG bedeutet: Ausgepackt, Eingeschaltet, Geht nicht. Aber IMHO (ausgeschrieben in my humble opinion), was soviel wie "meiner bescheidenen Meinung nach" heißt (und sich natürlich flüssiger als mbMn liest), erscheint eine Reclamation an den Producer natürlich wesentlich eindrucksvoller, wenn man d.o.a. anstelle von defekt writet. Und auch ein "Entschuldige bitte, ich habe momentan wenig Zeit" klingt erfahrungsgemäß erheblich unspektakulärer als ein sorry, ich bin so busy!.

Vermutlich geht das ganze Spiel so lange, bis sich die Anglizismen in der deutschen Sprache derart festgesetzt haben, dass sie auch bei einer erneuten Rechtschreibreform nicht im geringsten ins Gewicht fallen. Solange man also die Redline nicht overshootet, wird eigentlich alles vom Volk akzeptiert. Es mault ein wenig, aber at the end ist dann alles roger - denn dann kann man sogar gemäß Duden, also quasi gesetzlich verbrieft ein wichtiges Gesicht machen.

Ich habe mich dazu entschieden, einfach meinen akademischen Titel "Dipl.Kfm." aufzuführen - hört sich auch wichtig an, entspricht aber zumindest den Tatsachen ;-)

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