4. Kapitel

Wie man Kaufmann wird

Ich hatte schon das Vergnügen, meine Laufbahn als Kaufmann vorzustellen und dabei angedeutet, dass nichts so gelaufen ist, wie ich mir das so ausgedacht hatte.
Bei Radio B hatte ich also ein zweites Mal gelernt, wie aus mir ein Kaufmann werden soll. Der Chef von's Ganze war ein strenger, aber äusserst korrekter und nie nachtragender Patriarch - das gesamte Betriebsklima im Grunde immer ein sehr gutes, manches Mal gereizt, aber eher eine grosse Familie als divergente Kollegen. Insgesamt ein Laden, in dem ich hätte alt werden können .... doch sooft ich auch Artikel in Zeitungen lese, in denen dieser und jener Mitarbeiter einer Firma für seine langjährige Mitarbeit mit einem Picknick-Korb und einer Medaille nebst einer Pulle Chluck geehrt wird, mir ist irgendwie klar, dass mein Lebenswandel zu unstet ist, als dass ich lange in einer einzigen Firma mein Dasein fristen möchte.
Und so kam, was kommen musste. Im Herbst 1997 las ich eine Annonce, in der eine Stelle in einem Nachbarort angeboten wurde. Hingefahren, mit der Geschäftsleitung besprochen, und Anfang '99 konnte ich dort meinen Dienst beginnen. Doch ach, was war das ein böses Erwachen! Vom Schlaraffenland in tiefste Dunkelheit - so kam mir der Wechsel nach relativ kurzer Zeit vor.
Der Chef:
Ein Choleriker, wie er im Bilderbuch beschrieben steht - aufbrausend, aber nie unfair oder nachtragend, wenn ich wieder einmal meinen Mund nicht halten konnte ;-)
Die Chefin:
Die, wie so oft, gute Seele im Haus - immer im Hintergrund und doch um alles und jeden bemüht.
Die Kollegen:
echte westfälische Dick- und Holzköpfe, so wie man sie eigentlich in dieser Intensität nur im Zoo oder im gut sortierten Fachhandel trifft.

Das alles war kein Problem, aber die Kundschaft in diesem elenden Nest !! Dickfällige, alles-besserwissende, Neunmalkluge schlau-reden-lasser und das Schlimmste: "Tach. Ha'm Sie'n Videorekorder" "Aber sicher: Modell XYZ: kann kochen, braten, backen, putzen, fliegen - StereoundallensonstigenZippundZapp für nur DM 399,-" "WAAAS??? Soooooo teuer ??? Kann ja jeder ***-Markt besser, was geht denn da noch runter ???"
Nun ist es nicht so, das ich mit solchen Leuten nicht umgehen könnte - normalerweise gibt's einen nett gemeinten Spruch wie: "Runter? Auf Knopfdruck die Klappe!" - auf die Frage nach Rabatt kommt: "Tut mir leid, haben wir nicht, ist ein Stadtteil von Mekka!" und bei nachgefragten Prozenten schau ich schnell in der Küche nach, ob noch ein wenig Schnaps da ist!
Aber wenn diese Fragen in jedem, ausnahmslos jedem Verkaufsgespräch kommen, dann ist auch meine Geduld irgendwann am Ende. Als mich dann ein Kunde beleidigenderweise fast soweit hatte, dass ich ihn rauswerfen wollte, wurde mir bewusst, dass eine Luftveränderung von Notwendigkeit sein würde.
Zu diesem Zeitpunkt brachte mich mein guter Freund Stephan auf die Idee, studieren zu gehen. Studieren ... ein völlig neuer Gedanke, da ich zwar das Gymnasium mit Abitur abgeschlossen, ich aber aufgrund meiner eher mässigen Noten nie über ein Studium nachgedacht hatte.
Aber was sollte es sein? Chinesische Linguistik - zu komplex. Professionelle Batikarbeiten im 19. Jahrhundert - "du, ich glaub' das ist nicht so ganz das Richtige für mich, du". Nein, etwas Sinnvolles, dass genügend Realitätsbezug und in der heutigen Zeit auch eine arbeitstechnische Verwendung findet: was liegt nach einer kaufmännischen Lehre näher als BWL ? Zumindest ist es mein Bestreben, dieses Studium zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, damit auch irgendwann einmal "aus dem Jungen etwas wird ..."