Der Beginn der Quattro-Ära

 

Nach dem Ende des ersten Coupés und dem beginnenden Aufbau des zweiten suchte der kleine Junge also wieder ein Auto. Dieses Mal sollte es auf jeden Fall ein Quattro sein, da ihm von allen Seiten berichtet wurde, dass man das mal gefahren haben müsse. Aber welcher Quattro sollte es werden?? Urquattros waren zwar nicht mehr so teuer in der Anschaffung, aber im Regelfall in einem desolaten Zustand, dazu zu teuer in der Unterhaltung.
So suchte er in der einschlägigen Presse nach Coupés vom Typ 85 Q, also die alte Form, aber Quattro-Antrieb und 136 PS. Nachdem auch hier die meisten Funde eher schlecht als recht waren, erweiterte er die Suche auf Coupés vom Typ 89 Q.
Aber alles, was er fand, waren 2,8er, 20V's oder S2-Coupés ... teuer, sehr teuer und viel zu teuer in der Unterhaltung. Da hätte er sich doch gleich mit einem Urquattro das Kreuz verheben können ...

Tränenüberströmt ob seiner misslichen Lage, zog er von nun an auch Limousinen in Betracht. Und es war, als wollte sich auch in dieser Kategorie nichts Vernünftiges finden lassen, als eines Tages, er war mit seinem Freund Enno unterwegs, bei einem freundlichen VAG-Partner in Bielefeld ein Auto stand, wie er (und viele aus seinem Bekanntenkreis) es nur aus Märchenbüchern oder Erzählungen fremder Leute kannte:
Ein scheckheftgepflegter Senioren-Garagenwagen!

Aus jenen Geschichten kannte er auch die Erkennungsmerkmale für einen solchen Exoten, und auch in diesem Fall waren sie nicht zu übersehen: Die vielen Aufkleber, die ein alternder Mann hinten auf der Heckscheibe mit sich herumzufahren pflegt ... als da waren: ADAC, AVD, Kavalier der Straße, Im Falle einer lebensbedrohlichen Situation rufen Sie mir bitte einen Priester (nicht übertrieben, fragt Enno), uswusf ...
Die beiden Freunde tauschten nur kurz einen Blick aus, der so etwas aussagte, wie: ...hossa, das gibt's doch gar nicht

...
Aber was hatten sie nun für ein Auto gefunden?

von vorne Es war ein ca. 6 Jahre alter Audi 90 Quattro in Cayenne-Perleffekt, Velours-Innenausstattung, 8-fach bereift, knapp 68.000 km gelaufen, 1.Hand, mit ein paar leichten Gebrauchspuren im Lack und einem sehr, sehr guten Gesamteindruck ... Allein der Preis von DM 15900,- tat ein bisschen in der Seele weh, aber wann trifft man auf ein solches Exemplar?
Als er ein paar Tage später bei jenem Händler anrief, um sich nach dem Gefährt zu erkundigen und um eine Probefahrt auszumachen, teilte ihm der Händler mit, dass er gerade den Preis auf DM 13900,- runtergezeichnet habe; die Witwe des ehem. Besitzers habe es etwas eiliger, das Auto loszuwerden ...
Und so wechselte es für diesen Betrag den Besitzer, denn noch weiter wollte sie partout nicht runter mit dem Preis, weshalb sie noch einen Satz Schriftzüge, frisch AU & TÜV und einen Lackstift als kleinen Obolus obendrauf packen durfte ... *ggg*

Zu Hause angekommen, nahm er das neue Spielzeug genauer unter die Lupe, schaute in alle Ecken nochmal rein, las in der Bedienungsanleitung, genoss die erste Zigarette und fiel beim weiteren Durchsuchen der Service-Mappe fast vom Glauben ab.

Jeder von euch kennt einen, der einen kennt, der von einem gehört hat, dass der schonmal ein Tankbuch geführt hat, oder? Wahrscheinlich macht der eine oder andere das auch selber ... der kleine Junge schließlich auch bei jedem Fahrzeug. Aber das, respektive die Tankbücher, die er dort fand, spotteten jeglicher Beschreibung:
Allein die Tatsache, dass es jemanden gab, der innerhalb von, wie bereits erwähnt, knapp 68.000 km drei Tankbücher im Standardformat brauchte, machte ihn mehr als stutzig. Der Vorbesitzer, ein Ingenieur, der im Alter von 82 Lenzen im Frühjahr verstorben war, hatte sich offensichtlich die Mühe gemacht, fast jeden einzelnen dieser 68.000 km zu dokumentieren, d.h. er hatte ab dem ersten Kilometer nicht nur aufgezeichnet, wann er wieviel bei welchem Kilometerstand getankt hatte, neinein, zusätzlich stand bei jedem Eintrag noch die Tankstelle selbst namentlich erwähnt, welche Klimabedingungen die letzte Tankfüllung lang herrschten und wohin er gefahren war!

Zurück zum Thema:
Nach ca. zwei Wochen ging das Steuergerät kaputt, aber er hatte glücklicherweise die VAG-Gebrauchtwagengarantie abgeschlossen, so dass er nur einen kleinen Bruchteil der Rechnung von DM 2000,- (inkl. Einbau) zu bezahlen brauchte. Und das war noch günstig ... schliesslich hatte es ja auch nur 6 oder 7 Werkstattbesuche bedurft, bis die Jungs das Steuergerät als Fehlerursache deklarierten.
Zwischendurch, bei der 3. Reklamation, bekam er von einem der Werkstattleiter den wohl trockensten Spruch gedrückt, den er jemals in einer Werkstatt zu hören bekam:
"Tut mir leid, aber ich kann Ihnen in den nächsten vier Wochen nicht helfen, alle Elektriker sind im Urlaub"

Das war ja auch eine ziemlich bodenlose Frechheit von dem Auto, mitten in den Sommerferien kaputtzugehen ...
(aber ...mittlerweile gibt es diese Werkstatt auch nicht mehr, zumindest nicht mehr unter dem ehem. Besitzer ...)
Irgendwie sah solch ein Auto aber doch etwas langweilig aus. Er besann sich seiner guten Beziehungen und baute die schwarzen Rückleuchten von Hella und die weißen Blinker vom Typ B4 ein. Ein paar Spurplatten hinten taten ihr Übriges, und schon war das Auto schick ... von hinten

... und dann kam der Winter ...

da lagen ca. 8 - 10 cm Schnee Quattro fahren, eine völlig neue Dimension!
Auf trockener Straße schon ein Unterschied zu frontangetriebenen Autos; auf nassem Untergrund genial ... aber wie unendlich geil bei Schnee!

Kreise ziehen, losfahren - wo andere fluchend die Räder drehen lassen, und ungeschlagen auf Serpentinenstrecken im Sauerland. Auch seine Frau, ursprünglich etwas skeptisch, war nach der ersten Fahrt auf zugeschneiten Straßen sofort mit dem Quattro-Bazillus infiziert. Nicht, weil man heizen kann, sondern weil der Allrad-Antrieb eine gehörige Portion an Sicherheit, Spurstabilität und Traktion bedeutet.

Aber jede Medaille hat zwei Seiten: Der Antrieb braucht eine Menge Platz, im Falle eines Audi 90 Typ 89 Q schrumpft der ohnehin schon kleine Kofferraum eher auf die Ausmaße eines zweiten Handschuhfachs.

Ein Beispiel:
Wenn das Reserverad drinbleibt, passen mit Mühe und Not zwei Kisten 1 1/2 Liter Cola rein.
Aber wann braucht man schon zwei Kisten?

Richtig, normalerweise sind es zwei Kisten Wasser, eine Kiste Cola, eine Kiste Apfelsaft und die Wochenendeinkäufe. Haha, gut, dass auf dem Rücksitz keiner saß ...zumindest noch nicht. Gepäck für zwei Personen für eine Woche Urlaub im Ferienhaus ...

Zwei Jahre fuhr er so durch die Lande, mit einem Auto, bei dem er immer öfter feststellen musste, dass dieses Gefährt einfach "unter den Achseln klemmt" (O-Ton Dirk W.) und so kam es, dass es - nach der Hochzeit und erfolgtem Umzug in eine größere Wohnung - für die geplante, zukünftig mehr als zweiköpfige Familie schlicht und ergreifend zu klein sein würde.


Also begab er sich wieder auf die Suche, auf dass er ein Auto fände, welches Allrad
und einen brauchbaren Kofferraum hätte ...