Die Viertelmillion ... oder: alt und immer noch leise.

Am 15. August 2000 a.D. war es soweit: Der Kilometerzähler im Monsterfließheck zeigte die, seines Erachtens magische 250.000 km Marke an. Sicherlich werden jetzt die eingeschworenen Typ44-Fahrer müde lächeln und es mit "na und? Ist doch normal ..." kommentieren, nichts desto trotz ist es dem kleinen Jungen an dieser Stelle ein Anliegen, für dieses phantastische Auto eine weitere Lanze zu brechen, eine kleine Lobhudelei ...

Aus dem vorhergehenden Kapitel wissen Sie, dass er das Auto mit einer Gesamtleistung von 208.000 km gekauft hatte - wahrscheinlich eine Entscheidung, die kein normal denkender Erdenbewohner fällen würde, auch wenn es in der Relation zur gebotenen Ausstattung durchaus als günstig zu bezeichnen war. Und überhaupt, wie kann man sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sowas auch noch als Quattro kaufen, wo doch jeder weiß, wie sauteuer eine Reparatur des Antriebes ist ...

Selbstverständlich ist ein Quattro-Getriebe so unglaublich teuer, dass er fast vom Stuhl gefallen war, als ihm der Preis offeriert wurde. Eines Tages überkam es ihn und er frug bei seinem Freundlichen einfach mal nach und bekam
a) die Aussage, dass es das nicht im Austausch gibt und
b) es daher auch nur die Kleinigkeit von 15.900,- DM kostet!

Das muss man sich mal überlegen: 15.900,-
- Haben und Nichthaben sind 31.800,-
- Verloren und wiedergefunden 63.600,-
- Einer alten Oma gegeben und wieder weggenommen 127.200,-
- Vor einen Spiegel gestellt 254.400,-
- Und dann noch am Finanzamt vorbei ergibt das über eine halbe Million DM!! - und das für ein einzelnes Getriebe.

Aber mal Hand aufs Herz:
Wer kennt denn jemanden, der bei einem Quattro diese Reparaturen durchführen musste? Und wir reden jetzt nicht davon, dass jemand einen kennt, der einen kennt, der von einem gehört hat, dass dessen Schwager sein' Kegelbruder, von dem der Sohn, dessen Arbeitskollege, der wiederum mit der Schwester von einem verheiratet ist, der undsoweiterundsofort...
In seinem Audiclub (Audiclub Westfalen) wurde dieses Thema schon des Öfteren diskutiert, aber keinem ist ein solcher Fall bekannt (also ein defekter Quattroantrieb, nicht die Geschichte mit der Schwester vom Schwager ...).
Es sind dort mittlerweile eine ganze Reihe an Quattros im Bestand, davon ist keiner wirklich neu und hat wenig gelaufen. Die Bandbreite erstreckt sich (Stand Mai 2000) von einem A6 (C4) Avant 2,6 mit etwa 65.000 km bis zu einem 83er Audi 80 mit einer Laufleistung von über 310.000 km - und nicht einmal der hat auch nur im Geringsten jemals Anlass zur Sorge gegeben.

Dennoch wird in den verschiedensten Foren immer wieder davor gewarnt, einen Quattro mit hoher Kilometerleistung zu erwerben - warum? Wenn der Antrieb tatsächlich Schwächen hat, kann man das bei der Probefahrt hören und im schlimmsten Falle auch spüren. Spätestens, wenn man bei den alten Modellen die manuelle Differentialsperre einschaltet und um eine Kurve fährt, zeigen sich mögliche Defekte sehr deutlich auf.

Aber ein Auto besteht nicht nur aus einem Getriebe, welcher Art auch immer. Es bedarf auch eines Motors, will man sich damit auch fortbewegen. Es gab dieses Modell mit einer reichhaltigen Palette von 75 - 220 PS, aber der kleine Junge schwört weiterhin auf den guten, alten Fünfzylinder Einspritzer Saugmotor - eine Entscheidung, die jeder, der schon mal einen sein eigen nennen durfte, nachvollziehen kann. So ist dieses Gefährt mit seinen 133 PS sicherlich kein Ausbund an Temperament, dafür aber recht sparsam mit dem, was Vater Staat hübsch teuer gemacht hat.

Aus der Tabelle kann man entnehmen, dass sich über die vergangenen 82.000 km ein reeller Durchschnittsverbrauch von 9,92 l pro 100 km errechnet. Daraus ergeben sich reelle Reichweiten zwischen 650 und 800 km, je nachdem, wie man gerade fährt. Dafür, dass es sich um Technik aus den frühen Achtzigern handelt und sich das Leergewicht bei einer fast allumfassenden Ausstattung (bis auf Leder, Tempomat und elektrisches Schiebedach ist eigentlich alles drin) auf etwa 1,5 Tonnen beläuft, ein auch unter heutigen Gesichtspunkten äußerst akzeptabler Wert. Dazu kommt ein Ölverbrauch, der bei ca. 1l pro 10.000 km liegt - weit unter dem, was vom Werk als immer noch normal angesehen wird (1,5l pro 1000 km).

Im Laufe der Zeit mussten aber auch Reparaturen durchgeführt werden, dabei fielen folgende Dinge an:
- 1 Satz Bremsscheiben und Beläge an der Hinterachse bei 245.000km
- 4 Stoßdämpfer (Boge TurboGas) und 1 Gaszug bei 230.000km
- diverse Birnen in der Cockpit-Beleuchtung
- Reparatur eines der hinteren Bremssättel, weil, wie beim Girlingsystem leider üblich, die Handbremse festsaß
- 1 Satz Düsen für die Scheibenreinigungsanlage, weil die vom Kalk zugesetzt waren
- 2 Wochen später 1 weiterer Satz Düsen, weil er den Behälter doch nicht richtig vom Kalk befreit hatte ...
- 1 Zündanlassschalter - der hat zwar noch funktioniert, hakte aber immer wieder beim Umdrehen
- 1 Satz originalgetreu geschnittene Fußmatten - bei seinem freundlichen VAG-Partner kommen die von einem Hersteller aus einer Nachbarstadt, sind absolut passgenau und kosteten gerade mal DM 50,-
- bei 260.000 km die vorderen Bremsscheiben nebst Belägen
- bei 290.000 km ein Rundumschlag in der Kühlung inkl. aller Riemen

Die spannendstens Reparaturen waren immer die der Kennzeichenbeleuchtung. Als er die Instand setzen wollte, blieb ihm direkt das Lachen im Halse stecken. Diejenigen unter euch, die das schon mal gemacht haben, wissen, was kommt:

Er begab sich also an einem sonnigen Freitagmorgen (Student sein ist ja sooooo klasse) an die Heckklappe des Autos, um zunächst einmal festzustellen, das er die blöde durchscheinende Kunststoffabdeckung der Beleuchtung zwar losgeschraubt, aber mitnichten runtergezogen bekam. Es ist dann doch so, dass die V8-Blende nicht sooo ganz hineinpasst - schließlich hat die normale Mittelblende beim Avant nicht die Streben ober- und unterhalb des Kennzeichens ... und diese obere Strebe klemmte die besagte Abdeckung ein.

Nachdem er also fluchend die Mittelblende angelöst und die nun freigängige Abdeckung abgezogen hatte, rieselte zu seinem größten Erstaunen verrostetes Metall in nicht geringer Menge aus eben dieser Abdeckung fallend zu Boden.
In seinem ersten Entsetzen kam ihm als erster Gedanke:
"Na klasse, die Heckklappe ist von innen am gammeln am dranne am sein"

Weit gefehlt, denn nach genauerer Untersuchung der Beleuchtung wurde ihm klar, dass hier nicht die Klappe, sondern schlicht und ergreifend der Birneneinsatz in der Beleuchtung weggerostet war. Er war einfach nicht mehr da - in den zu Boden gefallenen Resten konnte er ein Birnchen ohne Fassung ausmachen ... und noch etwas Kunststoffähnliches, welches dann wohl die eigentliche Halterung gewesen ist.

Aber, Aufatmen war angesagt, es gab und gibt diesen "Leuchtenträger" einzeln beim freundlichen VAG-Partner - er ist sich aber bis heute nicht sicher, ob er sich darüber freuen soll, oder ob das halt ein bekanntes Problem ist, gegen das man nichts weiter unternehmen kann, außer man kauft halt ab und zu ein neues Ersatzteil.

Da stellt sich mir in diesem Zusammenhang ein weiteres Mal die Frage, warum es die Birnen in manchen Schaltern bis heute nicht einzeln, sondern nur mit neuen Schaltern drumherum gibt... ?

Aber wir sind schon wieder vom eigentlichen Thema abgewichen ... man möge mir meine Begeisterung verzeihen. Stehengeblieben waren wir beim Thema Karosse:
Nicht nur, dass man hier darauf vertrauen kann, keine wirklich bösen Überraschungen zu erleben, nein, selbst nach über 300.000 km quietscht und knarzt nichts, man bemerkt keine Karosserieverwindungen, kein "Krachen im Gebälk". Die Türen fallen fast wie bei einem Neuwagen ins Schloss, die Fahrertür naturgemäß etwas schlechter als die anderen, aber selbst die schließt mit einem satten KLAPP - ein Geräusch, das von keinem noch so hochwertigen asiatischen Gefährt bekannt ist

Aber es gibt auch Zugeständnisse an den Zahn der Zeit:
- Wie so viele Audi-Fahrer befinden sich auch zwei Schlüssel am Bund: Einen für die Türen & Tankschloss, einen weiteren fürs Zündschloss ...
- Auch wenn Sie wunderschön aussieht, die schwarze Satin-Stoff-Innenausstattung mit den schrägen Streifen und dem Quattro-Schriftzug - es ist ihm bislang versagt geblieben, sie richtig sauber zu bekommen. Einer der Vorbesitzer hatte offensichtlich kleine Kinder an Bord, die kindgerecht ihre Spuren hinterlassen haben ...

Conclusio (oder auch Fazit genannt):
Der Audi 100 Typ 44 ist ein robustes, zuverlässiges, sehr gut verarbeitetes Auto. Ein akzeptabler Verbrauch, guter Komfort und ein, auch aus heutiger Sicht, immer noch recht ansprechendes Design machen ihn zu einem treuen Wegbegleiter, der durchaus, so die Prognose, noch weitere 100 - 150 tkm ohne größere Mucken hält. Es ist zumindest kein Grund angezeigt, der zum jetzigen Zeitpunkt zu denken gibt oder schlaflose Nächte bereitet.